Adolf Endler

Foto: Heinz Wurzer


  • geboren 1930 in Düsseldorf, 2009 gestorben in Berlin
  • 1949 erste literarische Texte
  • 1955 Übersiedlung in die DDR
  • ab 1957 freier Schriftsteller in Berlin
  • 1960 erster Gedichtband »Erwacht ohne Furcht«
  • 1966 zusammen mit Karl Mickel Herausgeber der Gedichtanthologie »In diesem besseren Land. Gedichte der Deutschen Demokratischen Republik seit 1945«
  • 1971 Polemik gegen die DDR-Germanistik
  • 1979 Ausschluss aus dem Schriftstellerverband (seine Arbeiten erscheinen im literarischen Untergrund oder in der BRD)
  • 2010 erscheint postum der Band »Dies Sirren« mit Gesprächen über sein Leben und Schreiben

Adolf Endler: Der Pudding der Apokalypse

Foto: Jens Tremmel, Marbach

Peter Geist
DAS KREISCHEN UND BRECHEN

In den achtziger Jahren floß die Fülle des alltäglich erlebten Absurden mehr und mehr in Adolf Endlers Prosa, ein wucherndes Werk von Fachsprachen, Funktions- und Funktionärs-Grammatiken, Hinterhofdialogen und Kaderwelsch, Romanexposés und Dramoletten mit verschiedenen Spaltungsfiguren: Bobbi Bumke Bergermann, Robert F. Kellerman, Robert Bubi Blazezak. Und und und - doch auch die Lyrik begann mehr und mehr phantasmagorisch zu wuchern in der Steigerungsform Schwarzen Humors Bretonscher Provenienz: schwärzester schwarzer Humor, Stakkati und Blitzbildgewitter, fratzenhafte Gedichte, in denen wir die Fratzen dieses Jahrhunderts erblicken, die man mit Moderne verharmlost. Seien wir brüderlich zueinander / Brüderlich brüderlich / Mahnte der große Jacques Pimmel / (Sein Handschuh wies zum Himmel)(...) Es entstehen Gedichte, in denen mit der Gefahr des Absturzes ins Irre-Sein wohl nicht nur kokettiert wird.

Wenn z. B. Das Sandkorn noch in alexandrinischer Stringenz das Gemeinwesen durchsetzt, sind Sandkörner Jahre später eher zersetzende Partikel, schutzarm imaginär und tödlich vor allem: ich schließ meine augen / ich schließ mich tief ein / unter mein lid meine wimper / sandkörner fallen verbrannt / über fuß über wange und hand / tödlicher sand. Oder im Gedicht Mit Howhannes Thumanjan: In Sommers Mittagsglut mein Herz Gefallen / Am Boden ich Mein Ziel verlor ich Jüngst // Mein Täglichbrot Zerwürfnis Hohn Verleumdung / Nicht schmäh ich länger das Exil das süße.

Die Hefte des irren Fürsten wie auch zerspleißende Texte wie Schwarzwolkpruetsch, die Bedeutungszuweisungen bereits im Wortansatz stören, sind wohl auch deshalb als Dokumente der Verstörung zu lesen, weil der Autor diese weitere Radikalisierung der Materialerhitzung denn doch nicht mehr traditionell-avantgardistisch als Weiterschreiten apostrophieren konnte. Wenn er etwa Georg Heyms Deine Wimpern, die langen ummodelt in Deine Blicke, die langen, / Rührn mit riesigen Stangen / Zoll für Zoll, Zoll für Zoll / Hier das Menschengewimmel, / Erster Koch Du im Himmel!, dann beginnen waghalsige Balanceakte ins Ungesicherte, Erfahrungs-Verrückung ins Extrem zu dehnen:

endlich kippt das alles kreischend ins Wüste und Kaputte um und sticht zerbeult sternenwärts, bringt es Endler auf den Punkt. Und in dieser Schrägsicht von außen-unten bringen sich die Texte uns Ultra-Täterätä und Ultra-Bimbam des größeren Deutschland ein: Die Absurdität der Welt ist natürlich geblieben, auch wenn die Nußschale (gemeint ist die DDR, P. G.) geplatzt ist. Deshalb gibt’s für ihn keine postalisch fehlgeleitete Ausweg-Möglichkeit, Schluß mit der Dichtkunst, / Schluß mit dem lyrischen Krampf! zu machen. O nein, auf ein fadenscheiniges Protestvergissmeinnicht, fiepend; / und mit grinsend verblühender Pfote – dürfen wir weiterhin gefasst sein. Das traumsplitterhafte spitze Gespritz hat ahnungssicher ein Lebenswerk imaginiert, dessen krude Schönheit ehrenhaft ins Jahrtausend weist: Ich versteck mich in einem Blütenbaum / Von blutgen Propellern zerschnitten / er kreischt er bricht -//- Hörts nie auf das Kreischen und Brechen?

(Aus: Peter Geist, Laudatio auf Adolf Endler, 3.4.2000)