Manfred Peter Hein

Foto: Gottfried Achberger


  • geboren 1931 in Darkehmen/Ostpreußen
  • 1945 Flucht nach Plön/Schleswig Holstein
  • Studium (Germanistik, Geschichte, Finnougristik)
  • nach Staatsexamen Übersiedlung nach Finnland
  • veröffentlicht seit 1956 Lyrik, Prosa, Übersetzungen und Nachdichtungen nord- und osteuropäischer Literatur
  • 1963-64 bei den Tagungen der Gruppe 47
  • 1979-86 Redaktion der Zeitschrift »Trajekt«
  • 1999 autobiografische Erzählung »Fluchtfährte« über Kindheit und Jugend im nationalsozialistsch geprägten Ostpreußen
  • 2006 Rainer-Malkowski-Preis
  • 2011 Ehrendoktorwürde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Manfred Peter Hein: Gegenzeichnung

Foto: Jens Tremmel, Marbach

Hans Christoph Buch
DIE ENTDECKUNG EINES DICHTERS

Manchmal geschehen doch noch Wunder in unserem auf grobe Effekte programmierten Literaturbetrieb: Die Entdeckung eines Dichters ist zu vermelden, genauer gesagt: die längst fällige Wiederentdeckung eines zu Unrecht Vergessenen, der vor der lärmenden Betriebsamkeit der bundesdeutschen Literatur (und der dahinter gähnenden Leere) ins finnische Exil ausgewichen war, wo er sich zwanzig Jahre lang als Übersetzer und Vermittler nord- und osteuropäischer Literatur vom Staub der Bibliotheken ernährte. Er heißt Manfred Peter Hein, und ich kann seinen Namen hier nicht hinschreiben, ohne an meine erste Begegnung mit ihm zurückzudenken, im Herbst 1964 auf der Tagung der Gruppe 47 im schwedischen Sigunta, wo Hein, zusammen mit Konrad Bayer und Nicolas Born – beide inzwischen auf tragische Weise verstorben -, seine erste Gruppenlesung absolvierte, mit Gedichten, die zu hintergründig und zu verhalten, zu sanft und zu subversiv waren, um sich den dort versammelten kritischen Koryphäen tiefer ins Gedächtnis einzuschreiben.

Als ich ihm auf einem skandinavischen Übersetzertreffen 1980 in Lübeck wiederbegegnete, schien er mir durch die jahrzehntelange Isolation verbittert, gesellschaftlich vereinsamt und literarisch vom Verstummen bedroht. Die meisten deutschen Verlage hatten ihm seine Manuskripte kommentarlos zurückgeschickt. Um so überraschter war ich, als ich die von ihm selbst veranstaltete, im kleinen Berliner Agora Verlag erschienene Sammlung seiner Gedichte aus zwanzig Jahren in Händen hielt. Hier hatte ein deutscher Autor die selbstauferlegte Verbannung in den hyperboreischen Wäldern dazu benutzt, an und in der Sprache, die er hinter sich gelassen hatte (und das heißt auch an sich selbst), intensiv zu arbeiten. Das Ergebnis sind Texte, wie sie so in beiden Deutschländern heute nicht hätten geschrieben werden können, Gedichte, die frei sind vom Wortmüll der Gegenwart, der uns den Blick auf die Dinge verstellt, jenseits aller mehrfach gewendeten Trends und Tendenzen angesiedelt.

(Aus: Hans Christoph Buch, Frankfurter Rundschau 31.3.1984)